Freitag, 3. Juli 2015

Zweimal Granitklassiker in Chamonix

Granitklassiker in Chamonix - ein Synonym nicht nur für besten Fels und wunderschönes hochalpines Ambiente, sondern auch für hart bewertete Riss-Schrubberei und traditionelle Absicherung. Jede Tour ist ein kleines Abenteuer, und zwar nicht im negativen Sinne! 

Der Auftakt ist der Nordnordost-Grat an der Aiguille de l'M - wie der Name schon andeutet, ist dies der von Chamonix aus gut sichtbare, M-förmige niedrigste und nördlichste Gipfel der Aiguilles de Chamonix. Der NNE-Grat ist eine zwar kurze, aber durchaus interessante Klettertour, die mit ein paar deftigen Offwidth-Passagen aufwarten kann. Der Zustieg von der Plan d'Aiguille zieht sich ziemlich, wir erwischen auch nicht den optimalsten Weg und brauchen so über zwei Stunden bis an den Einstieg. Dieser ist einfach zu finden und befindet sich am unteren Ende eines kleinen Firncouloirs. Die erste SL wartet auch gleich schon mit einer kniffligen Stelle auf, ein etwas abgelutschter Fingerriss, der aber gut mit kleinen Cams abgesichert werden kann. Corina geniesst die schöne Risskletterei.
Die zweite SL beginnt leicht, führt über einen kurzen, mit Nh gut abgesicherten Aufschwung, und endet auf einer grossen Terrasse. Jetzt folgt die Schlüssel-Länge, die von unten deutlich einfach ausschaut als sie ist! Eine Riss-Verschneidung, recht stumpf und glatt. Ich klettere das Ding, indem ich mein ganzes Bein im Riss verkeile und mich so, die Reibung zwischen Hose und Fels ausnutzend, hocharbeite. 
Die nächste Seillänge beginnt nochmals mit einem Riss, der allerdings etwas zugänglicher und gut mit einem 3er Cam absicherbar ist. Es folgen dann nochmals zwei etwas leichtere Längen, bevor wir den Gipfel der Aiguille de l'M erreichen. 
Der Abstieg gestaltet sich unkompliziert, mit zweimaligem Abseilen über die Südseite erreicht man den Col de Buche, von diesem führt ein gutes Weglein über einige Leitern auf den Glacier des Nantillons.

Facts:
Aiguille de l'M, NNE-Grat, S-, 4+ (cotation chamoniard, gefühlt etwa 6a).

Material: Set Cams 0.75 - 3, je nach Schneelage Steigeisen und Pickel für den Abstieg.

Kurzer, aber lohnender Klassiker abseits des Rummels. Die Offwidth-Risse sind recht knifflig und zudem etwas abgegriffen. 


Nur zwei Tage später geht es bereits wieder nach Chamonix - dieses Mal zusammen mit Thomas. Auf dem Menü steht der Ryan-Grat an der Aiguille de Plan. Diese Tour, bereits 1906 in 12 Stunden in einem Zuge von Montenvers aus erstbegangen, gilt als eine der schönsten Granitklettertouren mittleren Schwierigkeitsgrades. Heutzutage wird sie (zu Unrecht!) eher selten begangen. Nach der Tour steigt man typischerweise über den Midi-Plan-Grat zur Aiguille du Midi auf, somit ist klar dass das vollständige Hochtourenzeugs in den Rucksack muss.
Die Tour beginnt mit einem nachmittäglichen Hüttenaufstieg, dadurch steigt man im Bergschatten auf, was gerade bei den aktuellen Temperaturen ein grosser Vorteil ist. Nach einer ruhigen Nacht geht es schon sehr früh, um 3 Uhr, los. Es ist warm, eigentlich viel zu warm. Der Schnee ist überhaupt nicht gefroren, aber gut gesetzt, somit geht es sich recht angenehm. Nach knappen anderthalb Stunden steilt sich der Gletscher auf, wir erreichen die berüchtigten Bergschründe. Und ja, die haben es wirklich in sich! Ein erster Schrund lässt sich noch problemlos passieren, erfordert aber eine kurze Traverse in etwa 70° steilem Eis. Wirklich wild ist dann der zweite Schrund: Ein gigantisches, etwa 20m hohes, überhängendes und teilweise zusammengefallenes System von Eisblöcken. Auf der rechten Seite, unmittelbar bei den Felsen, steigen wir in den Höllenschlund ab, klettern über eine Art Schneebrücke, um dann ein Band auf den Randfelsen zu erreichen.
Wir klettern jetzt etwa 10m über leichten Fels hoch, um dann das obere Ende des Schrundes zu erreichen. Jetzt ist der Weg zum Ryan-Grat frei. Früher konnte man den Einstieg erreichen, indem man den ersten Sporn links umging. Dies ist heute aber meist nicht möglich, der zweite Bergschrund ist viel zu gross. Deshalb beginnt die Felskletterei für uns bereits am ersten Sporn. Wobei Felskletterei etwas untertrieben ist: Der einfachste Weg dünkt uns ein Verschneidungssystem auf der rechten Seite unmittelbar links des rechten Bergschrundes. Die Verschneidung ist teilweise mit Eis gefüllt, zuoberst blockiert eine Schneelippe den Ausstieg. Eine eigentlich recht interessante Mixed-Kletterei im Bereich M4, allerdings habe ich blöderweise die Handschuhe abgezogen, was mir einen deftigen Kuhnagel beschert (deshalb das verwackelte Föteli).
Rückblickend gesehen ist die diese SL wohl die technische Crux der Tour, wobei es mit weniger Schnee und Eis sicher einfacher wäre. Von hier aus gehen wir jetzt parallel in leichtem, etwas brüchigen Fels zum Biwakband, welches den Beginn der eigentlichen Kletterei 'markiert'. Mittlerweile erreichen uns die ersten Sonnenstrahlen, die Kraxelei wird zum Hochgenuss.
Als nächstes gilt es die Traverse nach rechts in Couloir zu finden. Vom Biwakband, unmittelbar bei der gut sichtbaren abgespaltenen Riesenschuppe, steigt man etwa 15m hoch, um dann ein zweites, kleineres Band zu erreichen, auf welchem wir mit einer langen Rechtsquerung das Couloir erreichen. Dieses ist gefürchtet wegen des Steinschlages. Etwas zu Unrecht, finde ich. Denn man braucht eigentlich gar nicht im Couloir zu klettern, sondern kann im Schnee auf der linken Seite hochsteigen. Wir machen hier den Fehler, ohne Steigeisen zu klettern, denn teilweise ist das Gelände eisig. Die Kletterei ist allerdings wirklich leicht, nach etwa einer halben Stunde erreichen wir die Gratschulter und wechseln auf die Kletterfinken. Übrigens, kleiner Hinweis an dieser Stelle: Auch wenn an manchen Orten geschrieben steht dass die Kletterei in den schweren Schuhen besser geht, dies ist sicher nicht so, denn vielfach muss man auch piazen, was definitiv angenehmer in den Finken ist. 
Von hier steigen wir leicht rechts des markanten Gendarmen auf - was auf dem Foto nach trivialer Blockkletterei ausschaut, entpuppt sich allerdings als deftige Verschneidungskletterei, und gibt einen Vorgeschmack auf das noch Kommende! 
Es folgt eine leichtere Seillänge mit einem hübschen, kleingriffigen Wändchen (5a), welches mit den Finken gut kletterbar ist.
Kurz darauf erreichen wir eine der berühmtesten Stellen, die 'Fissure de la grande mere': Eine fotogene, wie mit dem Lineal gezogene Rissverschneidung. 
Bild tk
Eindrücklich, aber schlussendlich gäbig zu klettern. Unbedingt den 3er Cam als Absicherung bereithalten!
Es folgt wieder eine etwas leichtere Seillänge leicht links der Gratkante. Und schon folgt die nächste Herausforderung: Ein tiefer, schattiger und schneegefüllter Kamin, der nur mit viel Körpereinsatz kletterbar ist. Der Rucksack ist hier hinderlich, man kann sich damit behelfen ihn an den Gurt zu hängen oder auf der Seite tragen. 
Eine weitere, wiederum leichtere Länge, dann stehen wir vor dem 'Y-Kamin'. Die Crux dieses imposanten Offwidths ist gleich zuunterst und erfordert wiederum 'Full body contact'. 
Bild tk
Hier Thomas in der darauf folgenden Seillänge - perfekter Granit Marke Chamonix!
Der Grat wird jetzt steiler und schärfer. Über eine luftige Platte (1 Nh), einen 'Geissenrücken' und einen Fingerriss (mehrere Nh) erreiche ich eine kleine Plattform, wo ich Stand an Cams mache.
Diese Plattform ist auf den ersten Blick eine Sackgasse - aber nein, man kann nach links auf einem Gesimse queren, um dann über schöne Risse leichteres Gelände zu erreichen. 
Wir befinden uns jetzt im obersten Teil des Grates, der hier mehr den Charakter einer gegliederten, recht steilen Wand hat. War die Routenfindung bis jetzt eigentlich problemlos, ist hier der leichteste Weg nicht mehr klar ersichtlich. Allerdings entdecken wir etwas weiter oben ein altes Fixseil, und dieses klettern wir an. Das Fixseil selber macht eigentlich keinen Sinn, die Stelle lässt sich in schöner Kletterei (etwa 5b) freiklettern. Wir erreichen ein kleines Band. Allerdings scheint hier wirklich fertig lustig zu sein. Glatte Wände verunmöglichen ein Weiterkommen! Als einziger Ausweg bietet sich ein stumpfer Riss an, der vollgestopft mit alten Klemmkeilen ist. Der Riss ist ziemlich schwer frei zu klettern, wohl so im Bereich um die 6b. Ich behelfe mir mit A0, geht insofern recht gut. Allerdings weiss ich bis heute nicht ob wir hier wirklich noch auf dem richtigen Weg waren. Anyway, wir erreichen jetzt endgültig leichtes Gelände, und erreichen über die Südwand in einer weiteren Seillänge den Gipfel der Aiguille de Plan - es ist mittlerweile viertel vor Eins, wir haben vom Einstieg also etwa siebeneinhalb Stunden gebraucht.
Hier ist die Tour allerdings noch nicht fertig, denn es folgt noch der Midi-Plan Grat hoch zur Aiguille du Midi. Der Schnee ist weich, die Kletterei hoch zum Rognon du Plan anstrengend. Immerhin, dank einer guten Spur geht die kombinierte Gratkletterei recht gut. Und so erreichen wir dreieinhalb Stunden später (inklusive einigen Pausen) die Bergstation, wo wir die leeren Speicher wieder füllen können!

Facts:
Aiguille du Plan, Ryan-Grat, S+, 5b, A0 

Material: Set Cams, insbesondere die grösseren Nummern (0.75 - 3), genug Zackenschlingen, Pickel, Steigeisen, Eisschrauben, evtl. zweites Eisgerät für den Vorsteiger.

Grosse Klettertour mit einem komplizierten Gletscherzustieg und einer hochalpinen Grattraverse als Abschluss. Sehr schöne, anstrengende Kletterei, unbedingt empfehlenswert!

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